Wir schreiben Geschichte!

Im Zuge der geplanten Renovierung des Bootshauses kam uns die Idee, die Geschichte unseres Vereins in Form eines Buches zum Standort "Holzhalbinsel" sowie des "Kanurennsports in Rostock" zu veröffentlichen.
Hier werden wir Euch auf dem Laufenden halten und am Ende des Prozesses die sportliche Geschichte seit den 50er Jahren bis zur Gegenwart veröffentlichen. 

Zum 25. Jubiläum des Kanufreunde Rostocker Greif e. V.

von Kanufreunden und dem Rostocker Kanusport

 

Allenthalben befinden wir uns wie im Schlaf. Der schlafende Mensch, den es gerade in dieser Zeit der Entbehrung in die Natur zieht, um der verordneten Enge zu entfliehen, lernt wieder Geduld und Demut. Wie eine Uhr, die man aufziehen muss, ist der Schlaf die Basis der erneuten Mobilisierung.

Dem Kanusport in der Hanse- und Universitätsstadt Rostock geht es da nicht anders. Die Paddelreviere bleiben bis auf wenige Einzelsportler verwaist. Auf dem Gelände der Kanufreunde Rostocker Greif kehrte jedoch schon vor Corona Ruhe auf dem Vereinsgelände und im Vereinsleben wegen der beginnenden Sanierung des Kanubootshauses ein, das im kommenden Jahr im Alten Glanz erstrahlen soll. Dieses Großprojekt schluckte in den letzten Jahren fast unsere kompletten ehrenamtlichen Ressourcen, sodass darüber hinweg die Zeit nur so verflog.

                                                   Bild: aib Bauplanung Nord GmbH

(Konzept des renovierten Kanubootshauses)

Am 02. Mai 2020 jährte sich von den meisten fast unbemerkt das 25. Jubiläum der Gründung der Kanufreunde Rostocker Greif. Ein erfreulicher Anlass, der eingebettet in eine ganze Reihe kanusportlich relevanter Jubiläen in Rostock fällt und im kommenden Jahr gebührend gefeiert werden soll. 90 Jahre organisierter Kanusport, 70 Jahre Rostocker-Kanu-Club (RKC) und eben 25 Jahre Kanufreunde Rostocker Greif (KfRG). Schopenhauers Uhrenmetapher ist also nicht nur im Sinne der Revitalisierung, sondern auch der Rückschau passend und soll dem Leser einen kurzen und pointierten Abriss der Geschichte der Kanufreunde bieten, die auf das Engste mit der Geschichte des RKC verbunden ist und nicht losgelöst von der Standortfrage betrachtet werden kann.

Von einem organisierten Kanusport in Rostock können wir mit großer Sicherheit ab dem Jahre 1929 sprechen. Sechs Einzelpaddler schlossen sich zum "Rostocker Kanu-Klub" zusammen, der jedoch nicht mit dem heute bestehenden Verein verwechselt werden darf. Ausgehend von einem Schuppen zwischen den Getreidesilos an der Rostocker Strandstraße sammelten sich die ersten Sportler mit einfachen Holz- und Faltbooten der damaligen Zeit unter dem Dach eines Vereins, um dem Paddelsport auf der Unterwarnow, Breitling und vor allem der Ostsee zu fröhnen. Es herrschte reger Regattabetrieb und die Abspaltung eines Teils der Mitglieder im Jahr 1932 zum Verein der "Ostsee-Kanuten" sorgte für eine gesunde Konkurrenzsituation und Leistungssteigerung, sodass bereits von Rennsport gesprochen werden kann. Zwei Sportler der "Ostsee-Kanuten" wurden als Kanukenterer zu den Olympischen Spielen 1936 nach Berlin (Grünau) entsendet, wo Kenterübungen auf der Regattastrecke vollführt wurden. 1938 wurden beide Vereine unter dem Reichssportamt als Rostocker Kanu-Gemeinschaft (RKG) zusammengelegt und bezogen Unterkunft am Gehlsdorfer Ufer. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und der Bombardierung Rostocks im April 1942 endete auch der Kanusport in Rostock jäh. Dem Feuer fielen Bootshaus und sämtliches Material zum Opfer.

Das Ende dieses dunklen Kapitels jährte sich gestern am 08. Mai zum 75. Male und reiht sich ein in die Liste der Jubiläen. Die Rostocker Kanuenthusiasten sahen sich nach dem Kriege vor die allergrößten Schwierigkeiten gestellt...tabula rasa. Lediglich die Erinnerungen an unbeschwerte Ausfahrten blieben den Menschen, die materielle Grundlage hingegen war verloren. Hoffnungen auf den Neuanfang bildeten sich jedoch aus der dem Sport und der Jugend im sozialistischen Weltbild zugedachten Rolle. So markiert bereits der 5. März 1950 den offiziellen Wiederbeginn des Kanusports in Rostock. Die Gründung der Sektion Kanu bei der Betriebssportgemeinschaft Motor Rostock (BSG) der volkseigenen Neptunwerft vor 70 Jahren dient unserer Betrachtung auch als Gründungsdatum des RKC, der nach der politischen Wende aus der Sektion der BSG hervorging.

Nun ist die Geschichte rund um den Wiederaufbau des Kanusports in Rostock zu umfangreich, um sie in dieser Abfassung zufriedenstellend aufzuarbeiten. Den an den historischen Zusammenhängen interessierten Leser verweisen wir auf das kommende Jahr, in dem die Kanufreunde eine Gesamtdarstellung vorlegen werden, die im Zuge der Feierlichkeiten zur Wiedereröffnung des Bootshauses und des Vereinsjubiläums präsentiert werden soll.

In aller Kürze kann konstatiert werden, dass sich die Verantwortlichen der Sektion sehr um die sportliche Entwicklung und den Regattabetrieb verdient machten. Höhepunkt dieser Bemühungen stellte die Ausrichtung der DDR-Meisterschaften 1959 auf der Regattastrecke im Rostocker Stadthafen dar, die nach belegten Aussagen internationalen Standards genügte. Auch die sportliche Entwicklung passte sich den Ambitionen an und Rostock wurde zum Ende der 50er Jahre eine Macht im Bereich des Kanadier-Rennsports, sodass Mehlberg-Ullrich vor heimischer Kulisse die Meistertitel im CII über 1.000m und über 10.000m erringen konnten. Auf den 10.000m wurde die Rostocker Dominanz mit dem zweiten Rang der Rostocker Brüder Tieth deutlich. Die Ergebnisse brachten den Bootsbesatzungen die Nominierung für den Olympiakader zu den Spielen in Rom 1960 ein, bei denen Mehlberg/Ullrich bis in den 1.000m Endlauf vorstießen. Im Zuge dieser großen Erfolge professionalisierte sich auch der Kanusport und die herausragenden Trainier und Kanuten wurden zur neugegründeten Sektion Kanu des Sportclub Empor Rostock delegiert. Leiter und Trainer der Delegierten wurden die einigen eventuell noch bekannten Heinz Ahnfeld und Karl-Heinz Papenhagen. Mit dieser künstlichen, wie den Quellen zu entnehmen ist, wegen des immer größer werdenden Raummangels am Gehlsdorfer Standort, aber erforderlichen Trennung etablierte sich neben der BSG Motor die Sektion beim SC Empor als Leistungssportgruppe. Die am 22. März 1961 vorgenommenen Delegierung zum SC Empor bildet somit auch den Ursprung der Kanufreunde Rostocker Greif, die nach der Wende aus der Konkursmasse des Sektion Kanu beim Sportclub hervorgingen. 10 weitere Jahre verblieben die Rennsportler in Gehlsdorf und trainierten dort unter suboptimalen Bedingungen. In diesem Zeitraum errangen Mehlberg und Ullrich Silber bei der WM 1963 in Jaice und Uwe Will schloss im K1 zur Weltspitze auf, um bei den Spielen 1968 in Mexiko erster Olympiateilnehmer der Sektion zu werden.

Mehlberg/Ullrich beim Training auf der Unterwarnow

(Mehlberg/Ullrich beim Training auf der Unterwarnow, Bild: Werner Ullrich)

Ungeklärt blieb die drängende Frage nach einer geeigneten Trainingstätte. Während die BSG das heutige Gelände des RKC am Mühlendamm zu einem Idyll aufbaute, benötigte die Sektion Kanu beim SC Empor einen Standort, der den erheblich gestiegenen Erwartungen gerecht zu werden vermochte. Dieser Standort sollte das heute in Renovierung befindliche und euch allen bekannte Kanubootshaus auf der Holzhalbinsel sein, das im Jahr 1972 unter großen Anstrengungen aller Mitglieder eröffnet werden konnte. Die sportlichen Erfolge blieben zunächst aus, worüber uns manch erhellende Korrespondenz erhalten geblieben ist. Erst im Jahr 1977 gelang der erste internationale Erfolg nach dem Umzug auf die Holzhalbinsel. Gudrun Dittmar-Klaus errang Gold im K1 über 500m und Silber im K4 über 500m bei der WM in Sofia. Der Bann war gebrochen. Sechs WM-Golmedaillen von 1978-82 für Roswitha Krugmann-Eberl und zweimal WM-Gold für Bettina Streussel (1982). Nach diversen ausgezeichneten Ergebnissen bei Junioren-Weltmeisterschaften gelang Ramona Portwich und Anke Nothnagel der internationale Durchbruch mit drei Goldmedaillen bei der WM 1987 in Duisburg. Im olympischen Folgejahr kehrte Anke Nothnagel mit Gold im K2 und K4 und Ramona Portwich mit Gold im K2 aus Seoul heim an die Warnow. Ein Riesenerfolg, der durch die erneuten drei WM-Goldmedaillen der beiden im Jahr 1989 sowie 1990 und die Goldmedaille von Silke Bull in Posen eindrucksvoll untermauert wurde. Somit stellte das Ende der DDR die erfolgreichste Periode der Sektion Kanu beim SC Empor Rostock dar und beruht nicht zuletzt auf der Grundlage des ausgezeichneten Standortes des Kanubootshauses auf der Holzhalbinsel im Rostocker Stadthafen.

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